Eine dynamische Zukunft erfordert dynamische Fähigkeiten von mittelständischen Unternehmen
Über die Frage wie New Mittelstand “enkelfähig wird”. Ein Gastbeitrag von Annika Ulich, New Mittelstand Co-Pilot, Projektleiterin des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Berlin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG), Themenschwerpunkt: Digitale Geschäftsmodellinnovationen
In einem dynamischen Wettbewerbsumfeld und in unsicheren Corona-Zeiten verändern sich auch die Kompetenzen von heutigen Organisationen, die benötigt werden, um ihre Geschäftsmodelle an digitale Marktwirtschaft anzupassen und nachhaltig erfolgreich zu sein. Während früher innovative Produkte für nachhaltigen Erfolg ausschlaggebend waren, sind es heute innovative Geschäftsmodelle, welche den entscheidenden Unterschied machen. Wie also Innovation und Neuerung bewirken? — fragen sich viele Mittelständler heute.
Veränderung im Mittelstand braucht eine neue Haltung und neue Kompetenzen.
Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse bekräftigen, dass es für die Veränderung eines Geschäftsmodells insbesondere immaterielle Kompetenzen auf Organisationsebene und gelebte Werte braucht. Hier spricht man von den dynamischen Fähigkeiten eines Unternehmens. Für die Konzeptualisierung der dynamischen Fähigkeiten haben die Arbeiten von David J. Teece besondere Bedeutung erlangt. Im Zentrum seiner Definition steht die Möglichkeit eines Unternehmens sich schnell an eine verändernde Umwelt anpassen zu können. „We define dynamic capabilities as the firm’s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments.“ (Teece et al. 1997, S. 516)
Dynamische Fähigkeiten zählen heute zum Kern des erfolgreichen Wirtschaftens. Als Mitarbeiterin im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Berlin setze ich strategie:sprints zur Geschäftsmodellinnovation mit KMU in die Tat um. Wenn mir der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens im Erstgespräch sagt: „Ich möchte lernen digital zu denken“, horche ich auf. Wenn ihn zu unseren Folgeterminen stets ein Querschnitt seiner Mitarbeiterschaft begleitet, obwohl der Betrieb dann stillsteht, und seine größte Motivation ist, das Unternehmen so zu führen, dass seine Enkel noch etwas davon haben, weiß ich: Hier liegt Potenzial vor, welches ausgeschöpft werden will. Das Unternehmen verfügt bereits über dynamische Fähigkeiten, die ich brauche, um mit ihm und seinen MitarbeiterInnen sein Geschäftsmodell radikal zu überdenken.
Wenn ein Mittelständler zu mir sagt: „Ich möchte, dass mein Unternehmen enkelfähig wird”, weiß ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Der zitierte Mittelständler verdeutlicht mir mit seinem Denken, dass sein Unternehmen bereits gute Voraussetzungen mitbringt. Er experimentiert, wie viele etablierte Unternehmen, mit neuen Kollaborationsformen. Die Digitalisierung ermöglicht ein spannendes Kräftepotenzial – unter anderem durch sogenannte cross-sektorale Wertschöpfungsketten. Ehemals getrennte Tätigkeitsbereiche wie beispielsweise Bankwesen, Werbung, Medien und Versicherungen verschmelzen miteinander. Etablierte Unternehmen müssen aktiv über den Tellerrand schauen, ausdauernd innovativ bleiben und ihre Betriebe für einen fruchtbaren Austausch öffnen. Immer häufiger holen sich etablierte Unternehmen das Knowhow aus eben diesen Bereichen durch Kollaboration ins eigene Haus oder partizipieren an Open Innovation-Formaten.
In der Partnerschaft von mittelständischen Unternehmen und Start-Ups steckt eine ganz konkrete Entwicklungsmöglichkeit. Das trägt vor allem der Tatsache Rechnung, dass sich Unternehmen heute in einem zunehmend komplexeren Innovationsumfeld bewegen müssen. Zum Beispiel müssen sie eine umfassende und reichhaltige Bandbreite von Bündnissen aufbauen und aufrechterhalten, um der stetig wachsenden Fülle von Konkurrenten effektiv entgegenwirken zu können. Der neue Wettbewerb verändert die Art und Weise, wie Unternehmen konkurrieren, kooperieren und operieren. Für mittelständische Unternehmen bleibt es also unerlässlich, das gesamte Spektrum der Fähigkeiten – also auch die unsichtbaren, dynamischen Fähigkeiten – ihrer Organisation zu verstehen und zu erweitern. Darin liegt meiner Erfahrung nach der Schlüssel zum innovativen Geschäftsmodell.
(New) Mittelständler*innen stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, sich Innovationskraft und Start-Up-Flow ins Haus zu holen. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Berlin unterstützt Kollaborationen zwischen Start-Ups und dem Mittelstand mit diversen kostenlosen Workshopangeboten und Materialien!
Nächster Workshop:
3. Dezember 2020 Online Innovationsimbiss KI (online)
Referenzen:
Teece, D. J., Pisano, G. & Shuen, A. 1997. Dynamic capabilities and strategic management. Strategic Management Journal, 18 (7): 509-533.