Innovationsstrategie für einen resilienten Mittelstand - das “Three Horizons Model”
Nach dem tollen Feedback zum initialen Artikel über die Narrative #NewMittelstand geht es nun weiter ins Detail. In diesem Artikel möchte ich mich gern, wie versprochen, mit dem Thema Innovationsstrategie auf Basis des angepassten ‘Three Horizons’ Modells befassen, das ursprünglich von McKinsey vorgestellt wurde.
Dabei möchte ich hier vor allem die folgenden Fragen adressieren:
Was ist das ‘Three Horizons’ Modell und warum sind Unternehmen dauerhaft innovativer, die dieses Modell in der Strategie sauber verankert haben?
Wie kann man dieses Modell auf die Mittelstandsentwicklung im digitalen Zeitalter anwenden und an welchen Stellen muss man es adaptieren?
Welche strategische Stoßrichtungen gibt es, um dieses Modell sauber bei der digitalen Transformation in der Praxis zu implementieren?
Einleitung: warum ist das Thema jetzt besonders kritisch?
Mittelstandsunternehmen haben den größten Vorteil gegenüber Start-ups, weil sie ein oft gut funktionierendes und über Jahre gewachsenes Kern-Business haben. Im Vergleich zu Konzernen sind Mittelständler kleiner, unternehmerischer und damit auch viel agiler, um bestimmte Entscheidungen zu treffen.
Trotzdem, während es insbesondere in Berlin und München nur so von Start-ups wimmelt, sind die Mittelständler laut Statistik der Förderbank KfW immer weniger innovativ.
Die Anzahl der innovativen Mittelständler hat seit 15 Jahren um die Hälfte abgenommen.
Die Förderbank KfW befragt seit 2003 ca. 15.000 Mittelständler. Nach aktuellen Auswertungen aus 2018, bringen nur noch 15% der Mittelständler, eigenen Angaben zur Folge, Produktinnovationen hervor — der niedrigste Wert seit Beginn der Messung. Auch die Ausgaben für Innovation sind gesunken: 30,7 Mrd. € in 2018, 2014 waren es noch 38 Mrd.
Das Risiko hier ist: im Falle einer Rezession könnten sie doppelt getroffen werden — denn Absätze gehen runter und aufgrund der fehlenden Investitionen verpassen Sie ggf. neue Märkte und Produkte.
Die zentrale Frage lautet darum: Warum ist die Innovation für Mittelständler aktuell eine wachsende Herausforderung und wie gestaltet man #NewMittelstand Innovation?
Hintergrund: Wirkungsgrad einer industriellen Organisation
Im industriellen Zeitalter konnte man die Effizienz von jedem Geschäftsprozess durch eine Kombination der Effektivität und Effizienz von drei Komponenten erklären:
Menschen
Maschinen
Wirkungsgrad der Organisation
Wirkungsgrad der Organisation ist das Verhältnis zwischen dem Output einer Arbeitsorganisation und dem eingesetzten Aufwand. Oft sind dafür wohl-definierte und durchdachte Organisationsregeln und -prozesse verantwortlich.
Laut Jeremy Rifkin stagniert allerdings zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Wirkungsgrad einer industriellen Organisation. (Ergänzung: siehe Video)
Den höchsten Wirkungsgrad erreicht im internationalen Vergleich Japan mit 20%. Auch Deutschland liegt weit vorn mit 18.5% — die USA im Vergleich liegt bei 16%. Somit haben viele der Mittelständler im industriellen Bereich eine Grenze der Effizienz erreicht. Eventuell lässt sich damit zum Teil erklären, weshalb die Budgets für die Innovation über die Jahre zurück gefahren wurden.
Nun allerdings, mit zunehmender Digitalisierung und mithilfe der neuesten technologischen Erfindungen kann der Wirkungsgrad von Organisationen wieder gesteigert werden - eventuell sogar exponentiell.
Denn die steigende Automatisierung und algorithmische Optimierung lassen die Grenzkosten bei vielen Produkten und Services beinah gegen Null gehen. Allerdings dauert es eine ganze Weile, diese neuen Technologien zu kreieren und in Märkten auszuprobieren.
Den Schlüssel zum Umgang mit diesem erhöhten Bedarf an Innovation liefert das ‘Three Horizons’ Modell. Dieses Modell ist eher in der Corporate-Welt (oder im Militär) bekannt. Gerade in Mittelstandsunternehmen kann so ein Konzept aber aus meiner Erfahrung eine gemeinsame Sprache bilden. Denn oft fehlt es den Mittelständler nicht an Ideen zur Innovation, sondern an klarer Kommunikation und dem Geschäftsmodell, um die Investitionen über die Jahre auch zu begründen.
Das ‘Three Horizons’ Modell
Das Modell wurde ursprünglich von McKinsey als ‘Three Horizons der Innovation’ vorgestellt. Es stammt aus einer Analyse, die der Frage nachging, warum manche Firmen dauerhaft innovativ bleiben können und manche nicht. Die Kernhypothese bzw. Erkenntnis lautete: Die innovativen Firmen investieren in die folgenden drei Arten von Innovation, genannt Horizon 1, 2 und 3:
Die Grundidee des Modells ist ziemlich simpel und besteht aus drei übereinander gelegten ‘S-Curves’, wobei jede S-Kurve einen typischen Investment-Zyklus darstellt. Hier eine Visualisierung:
Das Zentrale Problem der ‘Three Horizons’ in der aktuellen Zeit
Das Modell sieht auf den ersten Blick recht einfach und einleuchtend aus. Allerdings steckt der Teufel wie so oft im Detail. Denn es gibt in diesem Modell ein zentrales Problem, das in der aktuellen Zeit zu fatal falschen Entscheidungen führen kann.
Nämlich: In diesem Modell wird angenommen, dass es verschiedene Arten von Innovationen gibt und je größer der Horizont ist, desto länger sind auch die Innovationszyklen. Also gehen viele Management-Teams davon aus, man könnte sich recht viel Zeit nehmen, um Horizon 2 bzw. 3 Innovation hinter geschlossenen Türen der Entwicklungsabteilung zu betreiben.
Es ist überlebenswichtig, die Parallelität der ‘Three Horizons der Innovation’ in der Organisation zu verankern - angefangen mit der Entwicklung (‘Product Dev’) bis hin zum Test am Kunden (‘Customer Dev’).
Wie man an der Entwicklung aktueller Technologien und von Start-ups sieht, stimmt diese Annahme heutzutage allerdings oft nicht mehr. Denn viele Start-ups entwickeln Prototypen der Zukunft (‘Horizon 3 Innovation’) und gehen dann mit viel Kapital direkt in den Markt, um schnelles Feedback von den Kunden zu holen. Selbst wenn die Märkte noch verhältnismäßig klein sind, lässt sich ein kleiner Kreis von ersten Nutzern (‘Early-Adopters’) finden, mit einem meist rudimentären Produkt (‘Minimal Viable Product, MVP’). Würde man im Vergleich dazu abwarten, bis die Technologie oder Services für den anvisierten Markt robust genug sind, würde man in vielen Fällen zu spät kommen — der Markt wäre bereits geformt und stark umkämpft.
Ein aktuelles Beispiel für die Differenz im Umgang mit Innovation liefert die Automobilindustrie. Während die deutschen Autobauer, die den Markt anführen, noch mit wenigen rein elektrisch-betrieben Modellen im Markt unterwegs sind, ist Tesla bereits als Elektro-Pionier in aller Munde und hat damit viele ‘First Mover Advantages’ (Anmerkung: hier geht es mir nur um das Prinzip von Start-ups. Ob Tesla mit der Strategie in dieser komplexen Industrie tatsächlich langfristig erfolgreicher ist, wird sich zeigen. Denn dies hängt sicher auch von vielen anderen Faktoren wie Unternehmensführung und -Kultur etc. ab).
Dabei geht man im Horizon 2 und insbesondere Horizon 3 oft unbekannte Risiken ein und kann (und muss) damit die hohen Qualitätsstandards von Horizon 1 Innovation und Business nicht ganz einhalten, um dafür agiler & schneller zu sein. Hier entstehen die größten Ineffizienzen beim Einsetzen in einem traditionellen Unternehmen ganz besonders im Mittelstand. Gleichzeitig sind hier ganz neue Fähigkeiten erforderlich, wie zum Beispiel: Prototyping am bzw. mit Kunden, designgetriebene Innovation und datengetriebene Optimierung.
Hier wären wir schon beim nächsten Punkt, den ich gern erst beim nächsten Artikel tiefer betrachten will — nämlich, warum für die #NewMittelstand Idee ein fundamentaler kultureller Wandel im Unternehmen für den Erfolg erforderlich ist. Hier möchte ich allerdings gern direkt ein paar strategische Ansätze präsentieren, um mit dieser neuen Herausforderung modular und kreativ umzugehen.
Besser auf neuen Wegen etwas stolpern als in alten Pfaden auf der Stelle zu treten.
Chinesisches Sprichwort
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Evgeni Kouris