Lässt sich Innovationserfolg im Mittelstand wissenschaftlich quantifizieren?
Interview und 30 Minuten Video-Einführung mit Prof. Dr. Holger Ernst, New Mittelstand Botschafter, Inhaber des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanagement an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Außerdem ist er Visiting Professor an der Kellogg School of Management der Northwestern University, Evanston, USA.
New Mittelstand: Was machst Du genau bei der WHU?
Holger Ernst: Ich habe den Lehrstuhl für Technologie-und Innovationsmanagement seit 2000 an der WHU inne. Die drei Säulen meiner Tätigkeit sind: Forschung, Lehre und Praxis. Insbesondere Letzteres ist mir sehr wichtig. Ich berate Unternehmen zu wichtigen Erfolgsfaktoren von Innovationen und ich habe selbst ein Software Unternehmen (PatentSight) aus meiner Forschung heraus gegründet und 2018 erfolgreich verkauft. Hieran kann man auch erkennen, dass innovative Forschung wichtig für die Praxis ist!
New Mittelstand: Das Thema Innovation ist ja nun wirklich sehr populär geworden. Doch wie bist Du auf das Thema gekommen, und vor allem dass man die Innovationserfolgsfaktoren auch wirklich empirisch messen und vergleichen kann?
Holger Ernst: Das Thema Innovation wird immer populär und wichtig sein. Ich habe im ersten Graduiertenkolleg zum Thema Innovation in Deutschland an der Universität Kiel promoviert. Da haben mich Unternehmen immer wieder gefragt, was sie denn tun können, um innovativer und erfolgreicher zu werden. Daraufhin habe ich in meiner Habilitation empirische Messkonzepte für Innovationen entwickelt und Erfolgsfaktoren ermittelt. Hier liegt die wissenschaftliche Grundlage für das Innovationserfolgs-Panel( IeP).
New Mittelstand: Wir haben vor kurzem das Green Paper veröffentlicht, wo Du auch ein paar Zitate zu beigesteuert hast. Warum ist Innovationskultur für die Umsetzung einer nachhaltigen Zukunftswirtschaft erforderlich?
Holger Ernst: Die Innovationskultur ist der zentrale Baustein eines erfolgreichen Innovationsmanagements. Führende Unternehmen zeichnen sich durch eine innovationsfördernde Kultur aus, die u.a. Risiken zulässt, Fehler erlaubt, Unternehmen fördert und positive Anreize für Innovationen gibt.
New Mittelstand: Nun zum Kernpunkt Deiner Forschung - wie kann man Innovation messen und wie gehst Du beim IeP-Panel vor?
Holger Ernst: Innovationen müssen sich am Markt durchsetzen, d.h. wir messen den wirtschaftlichen Erfolgsbeitrag von Innovationen anhand zweier Dimensionen: Wachstum durch Innovationen und Profitabilität von Innovationen. Die Innovationsführer in unserer Datenbank schneiden bei beiden Dimensionen mit Abstand am besten ab. Ferner fragen wir die Unternehmen nach zahlreichen Aktivitäten ihres Innovationsmanagements. Daraus ermitteln wir diejenigen Aktivitäten, die die Innovationsführer kennzeichnen und besser machen als die anderen Unternehmen. Jedes Unternehmen wird dann gegen das Profil der Innovationsführer gebenchmarkt, so dass man schnell ein Stärken und Schwächen Profil jedes Unternehmens erhält und sofort sehen kann. wo man ansetzen muss, um innovativer zu werden.
New Mittelstand: Es haben bereits über 300 Unternehmen an dem IeP-Panel teilgenommen (Glückwunsch bereits zu diesem kleinen Innovationserfolg!). Welche Faktoren sind für Innovation zuständig?
Holger Ernst: Den einen Erfolgsfaktor gibt es nicht. Es kommt auf zahlreiche Aspekte an, die auch nicht immer unabhängig voneinander sind. Neben der bereits erwähnten Unternehmenskultur sind z.B. Portfoliomanagement, agile Innovationsprozesse, Cross-funktionale Zusammenarbeit, Kundeneinbindung, starkes Projektmanagement, Partnerschaften und eine langfristig ausgerichtete Innovationsstrategie sehr wichtig.
New Mittelstand: ..und sind die Erfolgsfaktoren von der Industrie abhängig oder allgemein übertragbar und warum glaubst Du ist es so?
Holger Ernst: Es gibt einige zentrale und industrieunabhängige Erfolgsfaktoren. Wenn man die beherrscht hat man schon sehr viel erreicht. Hier sollten die Unternehmen zuerst ansetzen.
New Mittelstand: Zuletzt zur Inspiration - welche Beispiele von besonders erfolgreichen Unternehmen könntest Du mit unserer Community teilen, wo man es evtl. am wenigsten erwarten würde und warum?
Holger Ernst: Spontan fallen mir da zwei Unternehmen ein:
Das Unternehmen Lohmann Therapie Systeme (LTS) aus Andernach, Weltmarktführer für transdermale Pflaster. LTS entstand als Spin-off aus einem traditionellen Familienunternehmen, was ganz andere Produkte herstellte als LTS. LTS war die Vision eines Mitarbeiters, der durch seine bahnbrechenden Innovationen einen ganz neuen Markt kreierte und einen Weltmarktführer aus dem nichts schaffte. Gefördert wurde diese Pionierarbeit von einem traditionellen Familienunternehmen.
Das Unternehmen Rastal aus Höhr-Grenzhausen, was bisher ‘langweilige’ Gläser herstellte. Mit Hilfe der radikal neuen “Near Field Communication” Technologie hat Rastal das Glas “digital” und dadurch “smart” gemacht. Rastal kann sich somit vom Wettbewerb differenzieren und durch zahlreiche Produkt-, Prozess und Geschäftsmodellinnovationen ganz neue Märkte erschliessen.
New Mittelstand: Wir bedanken uns für Deine Zeit und das spannende Gespräch!